Neulich erwachte ich aus kurzem Schlaf und stellte fest, ich saß in einer Vorlesung. Geladen hatte ein Club von Politik-Professoren. Um die G7 sollte es gehen, die dieses Jahr unter dem Vorsitz Frankreichs stehen. Am Pult gab der französische Generalkonsul in Toronto, Marc Trouyet, darüber Auskunft, was es beim nächsten Treffen der sieben größten Industrienationen im Badeort Biarritz Neues gibt. Vom journalistischen Standpunkt aus kann man sowas mal mitnehmen.

Drum saß ich da, in einem Konferenzraum im ehrwürdigen Trinity College an der Uni Toronto. Von der Wand glotzten mich kubistische Gemälde an. Aus eichenen Regalen drehten mir wichtige Bücher ihre Rücken zu. Die Füße umschmeichelte ein Perserteppich. In der Ecke boten sich Kaffee und Kekse feil. Gekommen waren 20 Leute, meist ältere Herrschaften, die eifrig notierten, und ein paar Studenten, die eifrig fotografierten. Zu berichten gab es nichts, also schaute ich zum Fenster raus und suchte nach Krokussen im Vorgarten.

Uni, dachte ich, ist was Feines, besonders wenn man nach zehn Jahren im harten echten Leben wieder hinkommt. Man hat Zeit, sich Fragen zu widmen, die gar nicht drängen. Man entschleunigt sein Tempo, man schlurft über Institutsflure, liest unter Campusbäumen, wartet in Mensaschlangen. Und es ist kein Drama, wenn Monsieur Trouyet nichts Neues erzählt, denn man braucht keine News.

Was ich zudem dachte: Kanadische Universitäten sind schöner, besonders das Trinity College. Es ist eines dieser neo-gothischen Festungen des Intellekts, die aussehen wie Harry Potters Internat. Die Gebäude tragen außen Moos und innen Schweinsledersofas und grüne Lampen. Nicht mal das Land Kanada ist so alt wie diese Gebäude aussehen. An der Universität Leipzig bin ich Anfang der Nullerjahre durch eine ewige Baustelle gehetzt. Da war Beton überall und im Proseminar musste man manchmal direkt drauf sitzen, wenn alle kamen, die eingeschrieben waren.

Kanada hingegen zelebriert das Studentenleben, mit allen Zeichen und Symbolen, die dazu gehören. Wer studiert hat, trägt einen Siegelring mit Namen und Abschlussjahr und hängt ein Foto mit Doktorhut und Fledermausmantel über den Kamin der Eltern. Das ist verständlich, denn wer einen Uni-Abschluss hat, hat dafür am Ende zigtausende Dollar an Gebühren gezahlt.

Die Universität von Toronto ist ein wissenschaftlicher Großbetrieb mit 75 000 Studenten und 10 000 Mitarbeitern. Sie setzt sich aus vielen Colleges zusammen, die die Namen von Stiftern und Spendern tragen. Reiche Privatleute also, die das Wissenschaftsleben Kanadas seit 200 Jahren am Leben halten. Daher die Bilder und Teppiche, die man in deutschen Hochschulen vergeblich sucht.