Das neue Jahr begann in Kanada sechs Stunden später als in der Lausitz. Das heißt, das alte blieb sechs Stunden länger. 2018 war kein außerordentlich überragend glückliches Jahr für Kanadas Premierminister Justin Trudeau. Der Sunnyboy an der Spitze des zweitgrößten Landes der Erde musste sich einiges gefallen lassen.

Zum Beispiel den Spott, als er Anfang des Jahres auf Staatsbesuch in Indien war. Trudeau wollte dort der uralten Kultur seines Gastlands Respekt zollen, wählte dafür aber das falsche Outfit. Er, seine Frau Sophie und die drei Kinder tauchten dort in bunten Kostümen auf, die eher an Bollywood-Filme erinnerten als an indische Tracht. Die Welt lachte über den Mann, der als so stilsicher gilt, gerade wenn es um Anzüge geht.

Noch mehr schmerzten die Backpfeifen, die der smarte Kanadier vom US-Präsidenten einstecken musste. Justin Trudeau und Donald Trump haben nicht das beste Verhältnis. Sie sind auch sehr verschieden. Trudeau ist 46 und gilt international als Lichtgestalt des demokratischen Westens – Trump ist 72 und könnte den demokratischen Westen, wie wir ihn kennen, zu Grabe tragen. Sein Stil ist ruppig und seine Eskapaden sind viele. Mit Trump will keiner gern arbeiten – auch für ihn nicht: Zuletzt hat kurz vor Weihnachten Trumps Verteidigungsminister James Mattis gekündigt.

Derweil führt Trudeau in Ottawa eine Regierung an, die viele Kulturen widerspiegelt, die das moderne Kanada prägen, und die zur Hälfte aus Frauen besteht. Trudeau wird auf der Weltbühne gern gesehen. Er steht in einer Reihe mit Angela Merkel und Emmanuel Macron, wenn sich die mächtigsten sieben oder 20 Industrienationen der Welt treffen. Das schätzen seine Landsleute sehr.

Aber all das hilft wenig, wenn Kanada mit dem mächtigen Nachbarn USA etwas zu verhandeln hat. So endete im Herbst das jahrelange Hickhack um das Freihandelsabkommen Nafta damit, dass Kanada seinen Milchmarkt für US-Farmer öffnen musste, um sich Zölle auf Stahlimporte in die USA zu ersparen. Trump hatte Kanada, den guten alten Partner und Verbündeten, offen erpresst. Nicht nett war auch, was Trump nach dem Treffen der G7 im Juni über Trudeau verbreitete. Er sei schwach und weinerlich, ätzte Trump auf dem Nachhauseweg vom Gipfel in Quebec gegen den Gastgeber. Trudeau kommentiert dergleichen nicht. In seiner Neujahrsansprache bilanzierte er das neue Nafta-Abkommen als einen „guten Deal für Kanada“ und den G7-Gipfel als Meilenstein für die internationale Entwicklungspolitik. Im Oktober möchte Trudeau wiedergewählt werden. Das dürfte dem liberalen Premier auch gelingen, falls nicht doch noch ein neuer Hoffnungsträger der konservativen Partei um die Ecke kommt. Was ziemlich unwahrscheinlich ist. Dafür mögen die Kanadier ihren Sunnyboy viel zu sehr.